Landschaften
Mit „Landschaft“ im rechtsgeschichtlichen bzw. verfassungsgeschichtlichen Sinn ist nicht die uns umgebende Natur – Flüsse, Berge, Felder und Wälder – gemeint, sondern die Vertretung der Bevölkerung eines Fürstentums, hier des Fürstentums Lüneburg. Die Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg war mit gewissen eigenen Rechten und Vermögen – in erster Linie Grundvermögen – ausgestattet und stand dem Landesherrn als selbständiges Rechtssubjekt gegenüber
Historie
Die Geschichte der Landschaft des Fürstentums Lüneburg geht bis in die Anfänge des 13. Jahrhunderts zurück. Zu dieser Zeit traten die einzelnen deutschen Landesfürsten gegenüber dem Kaiser des „heiligen römischen Reiches deutscher Nation“ mit größerer Macht und größerem Selbstbewusstsein gegenüber, was in dem „statutum in favorem principum“ Kaiser Friedrichs des II. von 1230 deutlichen Ausdruck fand. In diesem gestand der Kaiser den deutschen Landesfürsten weitgehende Selbständigkeit bei der Regierung und Verwaltung ihrer Fürstentümer zu. Andererseits waren die deutschen Landesfürsten für die ihnen nunmehr zustehende eigene Regierung und Verwaltung ihrer Fürstentümer auf die Mitwirkung der Bevölkerung ihres Fürstentums angewiesen
Kurien
Anfang des 13. Jahrhunderts formierten sich allmählich drei maßgebliche soziale, rechtliche und politische Gruppen der Bevölkerung, nämlich der „Klerus“, das heißt die häufig mit großem Grundbesitz ausgestatteten Klöster und Stifte, die „Ritter“, die vom Landesherrn mit Verwaltungsaufgaben und militärischen Diensten betrauten und als Gegenleistung mit Landbesitz belehnten „Ministerialen“, und die Städte, die zunehmend durch Handel und Handwerk wohlhabend und bedeutend geworden waren. Diese drei Gruppen, für die sich allmählich die Bezeichnung der drei „Landstände“ einbürgerte, bildeten zusammen die „Landschaft“ des Fürstentums Lüneburg. Im Zuge der Reformation wurde die Bedeutung des „Klerus“ immer geringer, sodass die Vertretung der Bevölkerung zeitweise nur von zwei Ständen wahrgenommen wurde.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Verhandlungen zum Zwecke der Wiedereinrichtung der landständischen Verfassung in Hannover geführt. Im Zusammenhang damit wurde die Forderung erhoben, dass die bisher durch die Landstände nicht repräsentierten nicht ritterschaftlichen freien Bauern eine eigene Vertretung erhalten sollten. Die wiederhergestellten Landstände sollten künftig also wieder aus drei Ständen bestehen, nämlich aus dem 1. Stand – Ritterschaft –, dem 2. Stand – Städte – und dem 3. Stand – den nicht ritterschaftlichen freien Bauern. Wie weit die politischen Mitwirkungsrechte dieser neu eingerichteten Landstände gehen sollten, wurde zunächst noch nicht endgültig geklärt.
Nach wie vor besteht die Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg aus drei Ständen oder drei „Kurien“, wobei der 1. Stand die Ritterschaft ist, der 2. Stand von den Städten und der 3. Stand von den nicht ritterschaftlichen ländlichen Grundbesitzern gebildet wird.
Verfassung
Als Folge der Pariser Juli-Revolution von 1830 wurden auch im Königreich Hannover die Bestrebungen stärker, durch eine schriftlich niedergelegte Verfassung die Rechte der Landstände eindeutig festzuschreiben und die Rechte des Souveräns zu beschränken (siehe auch Abschnitt „Historie“). Diesen Forderungen trug das „Staatsgrundgesetz“ von 1833 Rechnung, indem es die Rechte des Souveräns festlegte und einschränkte und die Mitwirkungsrechte der Stände festlegte. Für die Stände wurde eine „allgemeine Ständeversammlung“ eingerichtet, die die Funktion eines Landtages hatte und aus zwei Kammern bestand, wobei die 1. Kammer aus der Ritterschaft und die 2. Kammer aus den Städten und den nicht ritterschaftlichen Bauern bestand.
Im Königreich Hannover bestieg 1837 König Ernst-August – ein Bruder des letzten gemeinsamen Königs Wilhelms IV. – den Thron (siehe Abschnitt „Historie“ ). Dieser hatte schon als Thronfolger gegen das Staatsgrundgesetz von 1833 protestiert und deutlich gemacht, dass er sich durch dieses Staatsgrundgesetz seine Rechte als künftiger König von Hannover nicht beschneiden lassen wolle. Noch im Jahre seiner Thronbesteigung erklärte er das Staatsgrundgesetz von 1833 als aufgehoben.
Für das Fürstentum Lüneburg wurde unter dem 3. Juni 1863 ein Gesetz erlassen, welches die Verfassung der Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg darstellte.
Die Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg ist als öffentlich rechtliche Körperschaft anerkannt, steht als „überkommene, heimatgebundene Einrichtung[en]“ gemäß Artikel 72, Absatz 2, der Niedersächsischen Landesverfassung vom 19.05.1993 unter dem Schutz der Niedersächsischen Landesverfassung und unterliegt der Aufsicht des Niedersächsischen Innenministeriums. Für die innere Verfassung der Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg gilt nach wie vor das Gesetz vom 3. Juni 1863 in der Fassung vom 26. Mai 1975 mit Änderungsbeschlüssen des Allgemeinen Landtages vom 8. November 2006.
Landtage und andere Organe
Die Zusammenkünfte der Landschaft, die „Landtage“, fanden – altem germanischem Brauch entsprechend – vielfach unter freiem Himmel statt, im Fürstentum Lüneburg häufig auf dem sogenannten „Schott“, dem Landtagsplatz bei Hösseringen. Die auf diesen Landtagen gefassten Beschlüsse wurden in sogenannten „Landtagsabschieden“ schriftlich festgehalten und dem Landesherrn unterbreitet. Außer der Zusammenkunft sämtlicher Vertreter der drei Landstände wurden im Laufe der Zeit sogenannten „Ausschüsse“ gebildet, die paritätisch mit Vertretern der drei Landstände besetzt waren. Mit der Zeit verlagerte sich die Ausübung des Mitwirkungs- und Mitspracherechtes der Landschaften immer mehr auf diese Ausschüsse. Im Fürstentum Lüneburg trat der letzte Allgemeine Landtag im Jahre 1652 auf dem Schott in Hösseringen zusammen, danach wurden die Mitwirkungsrechte der Landschaft nur noch von dem Ausschuss wahrgenommen, der regelmäßig in der Residenzstadt Celle tagte.
Heute tritt die Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg wieder alle zwei Jahre zu sogenannten Allgemeinen Landtagen zusammen, zu denen jeder Stand 14 Delegierte entsendet. Dabei werden die 14 Delegierten der Ritterschaft von der Ritterschaft auf ihren Rittertagen gewählt. Die Delegierten der Städte sind die jeweiligen Hauptverwaltungsbeamten der Städte und bei den großen Städten Lüneburg, Celle und Uelzen auch noch deren Stellvertreter. Die 14 Delegierten des 3. Standes werden von Kreistagen der Landkreise auf Vorschlag der Landwirtschaftskammer gewählt. Der Landtag ist das oberste Organ der Landschaft. Daneben gibt es das Landschaftliche Kollegium, welches aus fünf Mitgliedern der Ritterschaft, drei Vertretern der Städte (nämlich den Hauptverwaltungsbeamten der drei großen Städte Lüneburg, Celle und Uelzen) und vier von den 14 Delegierten der 3. Kurie gewählten Personen besteht. Das Landschaftliche Kollegium, welches mindestens zweimal jährlich zusammentritt, berät und entscheidet über diejenigen Dinge, die in der Zeit zwischen den beiden Landtagen zu regeln sind und bereitet die Landtage vor. Präsident der Landschaft ist der jeweilige Präsident des 1. Standes, der Ritterschaft, der Präsidierende Landschaftsrat. Er vertritt die Landschaft gerichtlich und außergerichtlich.
Wappen
Auf dem Hintergrund des „goldenen“ Schildes als Teil des Celler Wappens findet sich ein aufrecht schreitender Löwe. Dieser ist von sieben roten Herzen umringt. Nach der Überlieferung stehen diese Herzen für die sieben Söhne von Herzog Wilhelm des Jüngeren, den Herzogsbrüdern Ernst II., Christian, August, Friedrich, Magnus, Georg und Johann.
Haus der Landschaft
Das eigentliche Ritterschaftshaus Schlossplatz 6 wurde 1717 in Form eines Vorgängergebäudes, vom Kurfürsten Georg Ludwig an Andreas Gottlieb v. Bernstorff abgetreten. Dieser hatte sich als Herzoglich Celler Kanzler und späterer Premierminister so verdient gemacht, dass er das Haus und 5.000 Thaler vom Kurfürsten und König von England übertragen bekam.
Aufgaben und Trägerschaft
Die heutigen Aufgaben der Landschaft des vormaligen Fürstentums Lüneburg bestehen, nachdem sie keine politischen Mitwirkungsrechte mehr hat, einmal in der Bewahrung und Förderung der speziellen Traditionen und der besonderen Kultur im Bereich des vormaligen Fürstentums Lüneburg und zum anderen in ihrer Funktion als einer der Träger der Landschaftlichen Brandkasse Hannover.